31. SONNTAG IM JAHRESKREIS

Evangelium nach Lukas (19,1-10)

 

Über das heutige Evangelium könnten wir den Titel schreiben: „Wie geht Jesus mit schuldig gewordenen Menschen um?“ Er sucht sie, geht auf sie zu, aber nicht mit erhobenem Zeigefinger. Er macht keine Vorwürfe, hält keine Moralpredigt. Er will bei ihnen zu Gast sein. Das zeigt Jesus und mit seinem Verhalten, damit will er sagen: So ist Gott!

Es ist eine überbekannte Geschichte von Zachäus, dem Zöllner und Jesus. In ihr steckt Sprengstoff. In ihr steckt eine Botschaft an uns, ein Aufruf, auch so zu handeln. Es ist eine Herausforderung. Versuchen wir, diese Botschaft an uns zu verstehen.

Da ist zunächst Zachäus: Ein vermögender, reicher Mann, aber von allen gemieden. Zachäus hat eine besondere öffentliche Funktion als Oberzöllner, er hat eine Aufsichtsaufgabe beim Eintreiben von Steuern und Zöllen. So ist er zugleich auch Arbeitgeber. Aber er hat keinen guten Ruf. Ihm wird misstraut, er ist gefürchtet und verachtet, aus einem doppelten Grund: Durch sein Amt wird er als ein Kollaborateur der römischen Besatzungsmacht betrachtet. Das macht ihn nicht sympathisch. Aber es ist auch bekannt: Diese Zöllner kassieren regelmäßig mehr, als im Tarif vorgesehen ist. So bereichern sie sich, auf Kosten anderer. Kein Wunder also, dass er unbeliebt war. Keiner wollte mit ihm etwas zu tun haben.

Gerade so ein Mann interessiert sich für Jesus. Warum soll so ein Mensch Jesus sehen wollen? Ist es mehr als pure Neugier? Ist er ein Suchender - getrieben und entschlossen, sich mit eigenen Augen Klarheit zu schaffen, wer dieser Jesus sei? Erwartet er sich etwas von Jesus?

Sind das nicht auch Fragen an uns? Wer ist dieser Jesus für mich? Suche ich ihn, will ich mehr als nur Information über ihn? Habe ich Fragen an ihn, die aus meinem inneren Zustand kommen? Entspringen diese Fragen nicht nur aus meiner Vernunft, sondern auch aus meinem Gefühl? Erwarte ich von ihm Antworten für mein Leben? Hilfe für meine Lebensweise?

Für Zachäus hat diese Begegnung mit Jesus große Konsequenzen. Jesus geht auf ihn zu. Er schaut zu ihm auf, begegnet ihm mit Achtung. Er will ja sogar sein Gast sein. Jesus setzt sich mit diesem „Subjekt“ an einen Tisch, isst mit ihm, lacht mit ihm. Jesus sieht Zachäus an, schenkt ihm Ansehen, Anerkennung und dadurch Würde. Zachäus spürt: er ist angenommen, er hat seinen Wert gefunden. Der schuldig gewordene Zöllner hört nicht Vorwürfe, moralische Appelle, sondern er erfährt Zuwendung und Ermunterung. Jesus rettet ihn, befreit ihn aus seiner Isolation. Diese Erfahrung macht aus Zachäus einen anderen Menschen, der zwar zu seiner Schuld steht, aber es dort wieder gut machen will, wo es geht. Er will anders leben.

 

Es sind verschiedene Wege, auf denen Jesus zu mir kommen kann. Er kommt zu mir im Brot in der Eucharistie. Er kommt auch zu mir mit seinen Worten, mit denen er mir zusagt, dass ich wertvoll bin, trotz meiner Fehler und meines Versagens. Fühle ich mich so von Jesus angesprochen und berührt, dass ich bestimmte Dinge in meinem Leben ändern möchte?

 

Und andererseits: Kann ich hier nicht etwas von Jesus lernen? Wie ich mit Menschen umgehen kann, die sich schuldig gemacht haben? Was christliches Handeln ausmacht: ein vorbehaltloses An- und Ernstnehmen der Menschen, so wie sie sind? Das Reich Gottes ereignet sich dort, wo Vorurteile, Ausgrenzung, Abwertung durch moralische Verurteilung, enden. Dadurch können Menschen sich ändern und neu anfangen.

 

Die Begegnung von Jesus und Zachäus fordert mich heraus nachzudenken über meine Haltung Jesus gegenüber, über meine Erwartungen an ihn und auch über meinen Umgang mit Menschen, auch wenn sie Fehler gemacht haben und schuldig sind.

 

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